Abfahrt 2, 2003, 100 x 80 cm, Acryl auf Baumwolle

Abfahrt 2, 2003, 100 x 80 cm, Acryl auf Baumwolle

Ferne Nähe
Zur Malerei von Maria Bubenik

Autos und Flugzeuge gehören zum Alltag. Täglich erleben, sehen und hören wir sie ohne ihnen größere Aufmerksamkeit zu schenken. Während die Autos den Menschen zum allgegenwärtigen Begleiter geworden sind, erfolgt die Wahrnehmung der Flugzeuge aus großer Distanz. In hohen Weiten des Himmels verfolgen sie ihr Ziel.
Maria Bubenik kehrt unsere Erfahrungen einfach um. Die dicht befahrenen Autobahnen hat sie völlig entleert. Häufig ist es nur ein einziges Auto, welches sich einsam auf überbreitem Asphaltstreifen dem Auge nur noch für einen winzigen Augenblick zeigt, bevor es in der Ferne hinter einer Straßenkuppe verschwinden wird.
Aus erhöhter Perspektive betrachtet, erhält die Konstrukteursleistung aus Blech angesichts der Asphaltmassen etwas Zerbrechliches, Fragiles. Konzentriert man sich allein auf den Wagen, so steht er gar still. Nicht das Auto selbst sondern die Umgebung, unser Wissen um Autobahnen, die drei und mehr Spuren für den schnellen Ortswechsel bereithalten, vermitteln ihnen Geschwindigkeit. Zudem geben die zu parallelen Strichen zusammengezogenen, kleinen Bereiche der Grünstreifen am Rande der Straße, zusätzlich Tempo.
Haben die Wagen selbst, wie in „auto 04“ und „autogrün“ schnelle Fahrt aufgenommen, die ihr Erscheinungsbild verzerrt, so stellt Bubenik den Hintergrund still. In seiner nahezu monochromen opaken Farbigkeit ist er nicht verflüssigt, sondern erstarrt oder aber in ein diffuses Nichts aufgelöst, so dass die geschwinde Fahrt im nächsten Augenblick zu versinken droht. Geschwindigkeit und Stillstand stehen auf paradoxe Weise in ihren Bildern nebeneinander und negierten ein sicheres Raumgefühl. Auch der Betrachter wird nicht verortet und bleibt im Unklaren darüber, von welchem imaginären Standpunkt er beobachtet.

Ähnlich irritierend verfährt Bubenik in der Darstellung ihrer Flugzeuge. Gibt sie dem einzelnen Auto viel Raum und entrückt es in einen zweideutigen Zustand, so zoomt sie die fernen Flugzeuge immer näher bis zur bildsprengenden Größe heran. Eine ungewöhnliche Nähe ergibt sich. Es scheint, als flöge man selbst unmittelbar hinter dem Motiv. Das vermeintlich zum Greifen nahe entzieht sich im Flirren der Farben. Ihr Vibrieren macht ganz unmissverständlich deutlich, diese Nähe verflüchtigt sich in der nächsten Sekunde in stetig wachsende Distanz.

Das Bekannte (Auto) rückt in die Ferne und das Ferne (Flugzeug) für einen Moment in die Nähe. Diese Veränderungen gewohnter Wahrnehmungen betonen die Unwirtlichkeit der dargestellten Orte. Klar tritt vor Augen, dass sowohl die Autobahnen der Wagen als auch die Luftwege der Flugzeuge für den Menschen ohne die mobilen Hilfsmittel keinen wirklichen Lebensraum bereithalten.

Hier regiert Geschwindigkeit, lebensgefährliche Geschwindigkeit, die zudem einen sicheren optischen Zugriff auf den Ort verhindert, den man gerade durchquert. „Wo sind wir, wenn wir reisen!?“, fragt Paul Virilio. „Wo liegt dies „Land der Geschwindigkeit“, das nie genau mit dem zusammenfällt, welches wir durchqueren?“ Hat es Auswirkungen auf das, was uns Menschen im Innersten ausmacht?

Es ist eine Art „Nichtort“, auf den Bubenik zumeist von außen blickt, nicht ohne zugleich den Betrachter letztlich dann doch mit in den Sog der schnellen Bewegung zu ziehen. Ein Tempo, welches das körpereigene bei weitem übersteigt und darin sowohl Faszination, Sehnsüchte und Freiheitsgefühle weckt, aber ebenso Ängste auslösen kann.

Es sind Bilder, die eine eindeutige Festlegung von Nähe und Ferne nicht zulassen. Damit greifen sie nicht nur die Geschwindigkeit der fahrenden und fliegenden Vehikel auf, sondern auch die der medialen Informationen, die Fernes in eine dennoch nicht wirkliche greifbare Nähe rücken.

2005, Text für den Katalog Autos + Flieger